Mittwoch, 22. Januar 2014

Ode an die Spießigkeit



Na gut, keine Ode. Wer Lyrik erwartet, der muss woanders suchen. Aber das klang gut. Verurteilt mich.

Wahnsinn, jetzt war ich schon so stolz auf mich, dass ich meinen "Ein-Eintrag-Pro-Woche"-Plan einhalte und dann stimmt das gar nicht. Sind ja doch schon fast zwei Wochen ins Land gegangen seitdem ich mehr oder weniger elegant wieder aus den Ruinen meines Blogs emporstieg. Aber das nehmen wir mal nicht so eng, hier also wie versprochen meine Istanbul-Bilanz Teil 2.0:

Da das Zahlen-System in meinem letzten Eintrag irgendwie völlig willkürlich, unsystematisch (schreibt man das so?) und unübersichtlich ist und sich niemand darüber beklagt hat, werde ich es hier also nach Lust und Laune weiterführen. Nur so zur Info.

3. Dinge, die ich an Deutschland vermisse:
Zucht und Ordnung. Jaja, Die deutsche Spießigkeit ist ja sooo ätzend! Immer diese Steifheit und Verkniffenheit und Zugeknöpftheit, Regeln über Regeln und wer zur Hölle braucht schon Bürokratie? Gedanken eines Deutschen, der sich mit leidenschaftlicher Naivität nach der südländisch-lockeren Lebensart sehnt. Wo man mittags unter den Zitronenbäumen ein kollektives Nickerchen im Sonnenschein hält.
Nein. Die deutsche Spießigkeit ist klasse. Ich bin ein Spießer und ich stehe dazu. Du willst ein Päckchen von der Post abholen? Kein Problem, komm einfach mal auf gut Glück vorbei, vielleicht hat das Teil sogar während den Öffnungszeiten geöffnet. Gut, hab ich gemacht. Auf meine sorgfältig einstudierte Frage ob hier jemand Englisch spricht, wird mir von mehreren Seiten breit lächelnd versichert, dass gleich jemand für mich vorbeikommt. Also abwarten und Çay trinken. Als nach einer halben Stunde sich immer noch niemand meiner erbarmt hat frage ich nochmal nach. Jaja, ist schon unterwegs. Ich warte also fleißig weiter. Zehn Minuten später hebt die Post-Angestellte meines Vertrauens zum ersten Mal den Blick von ihrem Handy und öffnet die Tür hinter sich. "Hier ist gerade (!) jemand gekommen der Englisch spricht."
Ach ja, das mysteriöse Päckchen habe ich übrigens immer noch nicht. Die meisten Post-Leute mit denen ich gesprochen habe schien es doch sehr verwunderlich dass ich davon ausginge, dass sie mir weiterhelfen könnten. Weiß auch nich wie ich auf diese Schnapsidee kam. 

2. Radiosender. Also versteht mich nicht falsch, es gibt hier schon welche. Aber nach dreimal Katy Perry innerhalb einer halben Stunde möchte ich die Frau auf undamenhafte Weise lynchen. Da lob ich mir den besten Mix aus 80ern, 90ern und den Hits von heute.

4. Dinge, die ich an Deutschland absolut nicht vermisse: 

1. Die komische Angewohnheit, Brot in Scheiben zu schneiden. Einfach abreißen. Ist küntlerisch gesehen auch
viel wertvoller.

2. Lena Meyer-Landruth.Man stelle sich diesen Werbespot in Dauerschleife vor. Manchen Dingen kann man nicht entkommen.

http://www.youtube.com/watch?v=1i6cMnqu6RI
(Achtung, dieser Blog wird durch Produkt-Placement unterstützt)

Ach ja, wo ich grad so schön bei der Schleichwerbung bin. Mein schon im Vorhinein zum Scheitern verurteilter Vorsatz, über die Politik hier zu schreiben ist- naja, gescheitert eben. Aber zum Glück sind nicht alle Leute hier so erfolgreich ignorant wie ich, deswegen möchte ich an dieser Stelle wärmstens auf den Blog meiner hochgeschätzten, stets informierten Asien-Korrespondentin Steffi hinweisen. Das lohnt sich wirklich.
http://steffiinistanbul.tumblr.com/ 

Das wars dann heute von mir, ich hab Hunger. Wir sehen uns dann selbstverständlich planmäßig nächste Woche (Der gute Wille ist da!) 

Eure Lena (hab ich meine Einträge sonst unterschrieben?!)

Freitag, 10. Januar 2014

Ja, es tut mir leid

An alle die ich noch nicht von meinem Blog vergrault habe: 1. Frohe Weihnachten (verspätet) 2.Frohes Neues (verspätet) und 3. Sorry (ebenfalls verspätet). Mein letzter Eintrag ist jetzt fast 7 Wochen her,  23. November.  Kann mich noch gut dran erinnern. Der verhängnisvolle Abend an dem ich die 50-Jahre-Doctor-Who- Jubiläumsfolge verpasste (An dieser Stelle wird das Blogschreiben unterbrochen,  ich schaufel mir ein Loch und weine ein bisschen) Aber die Wunden sind immer noch zu frisch um darüber sprechen zu können, also lassen wir das.  Von meinem einmal endlos scheinenden halben Jahr sind gerade mal gute 8 Wochen übrig. Und ich weiß nicht wie ich das finde oder ob ich das überhaupt irgendwie finde. Naja auch egal,  ich ziehe jetzt mal eine kleine Bilanz der vergangenen 17 Wochen:

1. Dinge, die ich in Istanbul gelernt habe: 1.  Verkehrstechnische Tiefenentspanntheit. Was gibt es schöneres als sich von einer Symphonie an wohlklingendem Gebremse(selten)/Gehupe (chronisch)/Gefluche (leider auf türkisch)/Gemotoraufgebrause (in Ermangelung eines besten Wortes) in den Schlaf wiegen zu lassen?

                                         Samstagnacht, 3 Uhr. Willkommen auf meinem Balkon.


Auch nett: Die Countdown-Ampeln. Da ist man grad nichts böses ahnend auf halbem Weg mitten auf offener Straße, da fängt eine Blechstimme an, unbeeindruckt von 5 runterzuzählen. Renn oder stirb. Das bringt Schwung in den grauen Alltag! 
2. Wichtige Erkentniss: Ich möchte doch nicht um 18. Jahrhundert leben. Schon mal eiskalt im Stockdunklen geduscht? Ist eine Erfahrung wert. Ebenso ein beinahe-Candlelightdinner, nur eben ohne Candles sondern im sanften Schein diverser Smartphone-Bildschirme. Sehr romantisch. Warum in einer Großstadt wie Istanbul so oft der Strom weg ist? Im Zweifelsfall wars Erdoğan. Jedenfalls hat mich das ganze ein wenig desillusioniert und ich habe die Basteleien an meiner persönlichen Zeitmaschine aufgegeben. Die Neuzeit ist eigentlich doch ganz nett.

2. Dinge, die ich in Istanbul nicht gelernt habe: 
1. Kochen. Ich ess das Zeug lieber.
2. Ballspielen. "Run! The Boehler-Girl will destroy us al!!" So siehts aus, und stolz drauf! Trefferquote für zerbrechliche Gegenstände im Umkreis von 500 Metern: 100 Prozent. 
3.
Ooh wie schön! Haben das die Kinder für dich gemalt? Ich sage dazu jetzt mal nichts.

So. Da sich dieser Eintrag jetzt schon mehrere Male selbst gelöscht hat (Will er mir damit was sagen?), habe ich auch schon zwei bis drei mittelschwere Tobsuchtanfälle hinter mir. Um meiner angeknaksten Psyche nicht den Rest zu geben habe ich also beschlossen, meine Bilanz-Liste zu splitten. "Was ich an Deutschland vermisse und nicht vermisse"- Das sehen Sie in der nächsten brandneuen Folge von Lenas unschlagbar unregelmäßigem Blog. Vielleicht dann ja auch zur Abwechslung mal mit ein paar Infos zu Land, Leute, Kultur und Politik...okay, bei letzterem lüg ich mir grad selbst in die Tasche. Wie dem auch sei. War schön euch mal wieder,ähm, gesehen? zu haben, görüşürüz!

Samstag, 23. November 2013

Special offers und Superman

Selam, arkadşlarım. Die Hälfte meiner Zeit in Istanbul ist bald vorbei, ob mans glaubt oder nicht. Ich glaube es jedenfalls nicht. Unglaublich, dass ich in nicht mal vier Monaten wieder in Deutschland bin. Da wo es Schwarzbrot gibt. Und wo Ampeln mehr als bloße Dekoelemente sind. Wo die Busse pünktlich und regelmäßig fahren. Ach halt, hat ich ja fast schon verdrängt. Wo die Busse meistens überhaupt nicht fahren. Willkommen auf dem Lande.

Da irgendwie jeder heute irgendwie irgendwo beschäftigt war brauchte auch ich irgendwas, um mich von meiner Einsamkeit abzulenken. Habe also spontan beschlossen, dem großen Bazar einen kleinen Besuch abzustatten. Auf dem ich ja, wie ich geglaubt habe, schon gewesen bin. Bin ich aber nicht. Der Bazar auf dem ich war, war der Ägyptische Bazar, oder auch Gewürzbazar genannt. Was da vor allem verkauft wird liegt denke ich auf der Hand. Ich bin damals schlicht und einfach vom großen Bazar ausgegangen weil er, naja, eben so groß war. So schnell irrt man sich. Heute also allein, an einem Samstagnachmittag in meinem leicht verwirrten und stark orientierungslosen Normalzustand auf den richtigen großen Bazar. Ich beglückwünsche mich selbst zu diesem wahnsinnig genialen Einfall und stürze mich ins Getümmel. Ein Labyrinth aus großen und kleinen Gassen, überall blinkt, glitzert, funkelt und duftet es in den verschiedensten Farben. Kann es in verschiedenen Farben duften? Hier schon. Ich bin natürlich erstmal so überwältigt dass ich glatt vergesse mir den Rückweg zu merken. Beziehungsweise dass ich versuchen wollte mir den Rückweg zu merken. Hätte so oder so nicht hingehauen.

 




Ein Touristen-Traum aus 1001 Nacht. Foto wurde unter Lebensgefahr aufgenommen, bin dem Tod durch Zertrammpeln jedoch knapp entronnen.

 
 
Sobald man den Bazar betritt wird man von 5-200 Seiten gleichzeitig lautstark willkommen geheißen und bekommt Sachen jeglicher Art angepriesen bzw. aufgedrängt. Und da man mir eben doch ansieht dass ich Ausländer bin bekomme ich die volle Dosis an Sprachvielfalt. Hier das Ergebnis meiner geistig geführten Strichliste: Die Hälfte begrüßte mich ganz konservativ-international auf Englisch, wobei die Palette hier von einem schlichten "Welcome" bis zu "Extra for you! Extra for you! Special offer! Extra for you!" reicht. Wobei letzteres doch eher beängstigend ist wenn einem dabei ein Tablett voll heißem Tee vor der Nase herumgeschwenkt wird. Überraschend oft habe ich auch ein elegantes "Bonjour, mademoiselle" zu hören bekommen, im Bestfall mit einer kleinen Verbeugung als Sahnehäubchen. Merci aber auch. Ganze fünfmal wurde ich gefragt ob ich aus Russland komme. Nein. Ein besonders schlauer Verkäufer traff dann schließlich mal ins Schwarze: "Suchen Sie etwas?" Ja, den Ausgang. Wahrscheinlich hat besagter Verkäufer meinen sehnsüchtig-heimatverbundenen Blick bemerkt, der sich natürlich beim Betrachten der Auswahl von rot-weißen "Mia san mia"-Shirts sofort eingestellt hat. Oder so ähnlich. Mein professionelles "Merhaba" hat leider niemanden so richtig davon überzeugt, dass ich 1. Kein Tourist und 2. Nicht interessiert bin.  Mehr Erfolg hatte ich da bei meinem ersten Versuch als knallharte Feilscherin, selbstverständlich auf türkisch: "Wie viel?" "50." "50? 20!" (Warum nicht in die vollen gehen?) "Na gut, sagen wir 30." "Okay, 30." (Erwartungsfroh zücke ich meine Geldbörse) "Na gut, ich geb`s dir für 20." Coole Sache.
Ach ja, Notiz an mich selbst: Nicht alles verwirrt ansehen was verwirrend aussieht. Sonst wird einem ehe man gucken kann großes Interesse an einer überlebensgroßen Superman-Figur aus Plastik unterstellt. Special offer für nur 300 Lira. Klasse, ich kann mir nichts schöneres vorstellen als mit Superman unterm Arm durch Istanbul zu spazieren. Nach dreieinhalb Stunden shoppen muss ich mir dann endgültig eingestehen warum ich nicht schon nach zwei Stunden nach Hause gegangen bin: Ich habe nicht die Spur einer Ahnung wo ich hergekommen bin. Und irgendwie sieht auch alles gleich aus. Hätte ich wohl besser Brotkrumen gestreut.
Endlich wieder in der realen Welt angekommen gönne ich mir erstmal einen großen Simit. (Sesamkringel, perfekte Beruhigung für die Nerven). Die Krümmel heb ich auf. Fürs nächste Mal.






 


Dienstag, 12. November 2013

Üs und andere schöne Dinge

Merhaba an alle. Wird wohl Zeit dass ich mich auch mal wieder aus der Versenkung melde. Dass seit meinem letzten Blogeintrag so viel Zeit vergangen ist liegt daran dass ich 1. mal wieder umgezogen bin und zwar 2. in ein sehr spannendes Stadtviertel in dem es für ein Dorfkind wie mich natürlich dauernd irgendeine spannende Ablenkung gibt, genau wie in meiner neuen Familie die 3. zwei deutschlernende und spielbegeisterte Kinder hat. Es liegt natürlich nicht daran, dass ich ein außergewöhnlich fauler Mensch bin und/oder mir mein Passwort für meinen Blog nicht mehr einfallen wollte. Braucht ihr also gar nicht denken.

Wo wir gerade bei Merhaba sind: Mit der türkischen Sprache kann ich mich immer mehr anfreunden. Ich meine allein Sätze wie "Düsünür müsünüz". Das zergeht doch auf der Zunge wie warme Butter. Leider scheint meine Zuneigung aber nicht auf Gegenseitigkeit zu beruhen. So übersetzt mein stets loyaler Google-Translator mein schönes "Macht euch bitte Notizen" stur mit "Bitte beachten Sie das Fleisch". Naja, also schaden kann das ja auch nicht. Perfektioniert habe ich dagegen die Sätze "Tut mir Leid, ich spreche kein Türkisch" und "Wollt ihr ein Lied singen?". Letzterer immer gefolgt von einem enthusiastischen "Yeeeeyy!!" Vom Good-Morning-Song konnte ich meine Schüler inzwischen genauso gut überzeugen wie vom ABC-Rap. Wobei es für einige Kinder ein Alphabet ohne Ü unvorstellbar scheint, weswegen es sicherheitshalber gleich an mehreren Stellen dazwischengequetscht wird. Trotzdem : Mission erfolgreich!

Es ist eigentlich unverzeihlich aber bis vor kurzem hatte ich hier noch keinen Tropfen Raki getrunken. Um diese Bildungslücke so schnell wie möglich zu schließen habe ich also einen feucht-fröhlichen Abend mit Steffi, Emre und Ömer in einer traditionellen Raki-Bar verbracht, selbstverständlich mit viel zu viel leckerem Essen. Naja, die überflüssigen Schafskäse-Kalorien kann ich ja beim lustigen Autolücken-abpassen-und-um-mein-Leben-Rennen wieder abtrainieren. Ach ja, faszinierende Sache: Wenn man auf den durchsichtigen Raki Wasser kippt wird das ganze milchig-weiß! Wissbegierig wie ich bin habe ich dieses Phänomen natürlich gleich mal gegoogelt und weiß jetzt: Das liegt am Louche-Effekt. Den ich euch ja jetzt genauer erklären würde wenn ich ihn durchstiegen hätte. Fragt Wikipedia. Oder lasst es bleiben. Es lässt sich auch ganz gut ohne dieses Wissen leben.

Am 29. Oktober war dann schließlich großer Feiertag: 90 Jahre Republik Türkei! Was mit einem riesigen Bosporus-Feuerwerk gebührend zelebriert wurde. Um aus Steffis Blog zu zitieren: "Leeeutee ich hatte 15 Minuten nuur Gänsehaut, und das hinter dem Fernseher. Wie wäre es wohl wenn ich dort gestanden wäre?" Die Frage kann ich gut beantworten, denn ich war da. Gesehen hab ich- nichts. Ab und an mal ein paar Fünkchen am Himmel. Muss allerdings zugeben, dass das ganze durch die Handykamera meines Vordermannes recht beeindruckend aussah. Und Gänsehaut hatte ich zumindest auch. War nämlich arschkalt.

Hmmm was gibt's sonst noch so. Ah, hab hier auch endlich mal eine Namensverwandte kennengelernt. Eine sehr sympathischer Golden-Retriever-Welpe. Hab mich natürlich immer gleich angesprochen gefühlt wenn es hieß: "Lena!!! Nicht sabbern!!"
Und eine neue Anekdote aus den Istanbuler Buchläden. Als der Verkäufer herausgefunden hat, dass ich Deutsche bin, hat er mich strahlend zum einzigen deutschen Buch im Laden geführt:

 
Supi, da hab ich natürlich gleich zugeschlagen! Mit nur einer neuen
 Fremdsprache bin ich schließlich unterfordert!
 
Als Vegetarierin bin ich hier ja sowieso schon eine mit Misstrauen zu betrachtende Rarität. Um nicht auch noch als horklige Deutsche dazustehn, habe ich beschlossen ausnahmslos alles andere zu essen. Was den täglichen Plastikbecher voller superscharfer Pepperoni einschließt, den ich zu meinem Teller Reis bekomme (das einzige fleischlose warme Gericht im Umkreis meiner Arbeitsstelle). Da die Pepperoni normal zu essen sich als unmöglich herausgestellt hat, ohne sich am Ende mit tränenden Augen und rotem Kopf auf dem Boden zu winden (was mir auf Dauer zu stressig wäre), habe ich eine neue, sehr nützliche Fähigkeit entwickelt: Pepperoni im Ganzen schlucken. Ist nicht so einfach wie es klingt und erfordert eine spezielle, ausgeklüngelte Schlucktechnik. An deren Perfektionierung ich momentan noch feile. Seminare gibt's dann wenn ich wieder in Deutschland bin. Ein bisschen Geduld braucht ihr also noch.



Montag, 21. Oktober 2013

Kurban Bayramınız Mübarek Olsun!

Oder auch schlicht und einfach Fröhliches Opferfest! Kurban Bayramı wird im Islam in Erinnerung an den Propheten Ibrahim (bei uns hört der Gute auf den Namen Abraham) gefeiert, der Allah sogar seinen eigenen Sohn geopfert hätte. Kinder kamen bei uns allerdings nicht auf den Tisch (hoff ich zumindest). Da meine ehemalige, sehr religiöse Gastfamilie schon Wochen vorher von diesen hohen muslimischen Feiertagen erzählt hat und Vorbereitungen für das Fest getroffen hat, war ich sehr gespannt was mich so erwartet.
Die Antwort: Nicht sonderlich viel. Denn einzigen Brauch denn ich bei meiner neuen Gastfamilie, die sich als „flexible muslims“ bezeichnet, mitbekommen habe, ist der Teller mit kleinen Stücken „Opferfleisch“ zum Frühstück. Und sogar ich als eigentlich überzeugter Vegetarier muss zugeben: Sehr, sehr lecker! Aber das trifft ja hier sowieso auf fast alles zu. Ansonsten war 4 Tage entspannen angesagt. Dass heisst bis 12 Uhr schlafen, dann erstmal g’scheit was essen, zuhause oder bei den Nachbarn auf der Couch rumhaengen und literweise Çay und Kaffee trinken und so lange aufbleiben bis auf Skype nur noch der Echo Sound Test Service online ist.

Wo wir grad bei Kaffee sind: Diese Woche kam ich in den Genuss meiner ersten Kaffeesatz-Séance. Dabei wird die Tasse nach dem Trinken einfach auf die Untertasse gestülpt und dann gewartet bis das ganze kalt ist. İn dem Muster, dass sich in der Tasse bildet steht schließlich die Zukunft geschrieben! In meinem Fall der glühende Zorn auf einen Mann mit kurzen schwarzen Haaren. An denen es hier nicht gerade mangelt. Mal sehen mal sehen.
 

Wer hier drin nichts sehen kann...


...der hat eben kein drittes Auge.

Zwischen dem ganzen Rumgegammel muss selbstverständlich auch mal ein bisschen gearbeitet werden: Deutsch-Nachhilfe für meine Gastschwester. Aber auch ich konnte hier noch was dazulernen: Oblowowski, Wallander und (mein Favorit) Bux, sind anscheinend weit verbreitete deutsche Nachnamen. Zumindest wenn man nach dem Arbeitsheft „Vorwärts“ geht. Klar. Müller und Meier sind ja auch langweilig.

Bei den vielen Freunden/Nachbarn/Verwandten, die ich diese Woche so kennengelernt habe, ist mir eins aufgefallen. Die Frage die einem hier als erstes gestellt wird, noch vor dem Namen, ist die nach dem Lieblingsfußball- Verein. Meine ehrliches „I don't care“ wird allerdings ebenso wenig akzeptiert wie mein diplomatisches „I like them all“. Ich bin jetzt also offiziell Dortmund-Fan. Zu meinem Leidwesen scheint immer grad irgendwo ein Dortmund-Spiel zu laufen, was dann mir zuliebe auch gleich eingeschaltet wird. Mein Lieblingsspieler ist übrigens trotzdem Mesut Özil. Es lebe die deutsch-türkische Freundschaft.

Montag, 14. Oktober 2013

Zwischenbilanz


Vor fast genau einem Monat bin ich hier in Istanbul gelandet. Wenn ich daran denke, wie ich mich von allen in Deutschland verabschiedet habe und wie ich mit Steffi mit Schmetterlingen im Bauch im Flugzeug saß, erscheint es mir, als wären erst wenige Tage vergangen. Gleichzeitig aber kommt es mir vor, als wäre ich schon Ewigkeiten hier in Istanbul. So oder so, höchste Zeit für eine Zwischenbilanz:

1.       Was ich an der Türkei am meisten schätze:  Ganz klar, die türkische Wärme und Hilfsbereitschaft. Hier scheint jeder bereit zu sein, seine eigenen Pläne hintenanzustellen wenn man in Schwierigkeiten steckt (Was ich natürlich fast nie tue, räusper). Ach ja, und die Regelung mit dem Verkehr. Schon wenn ich mir in Deutschland eine Fahrkarte von Geltendorf nach München kaufen will gerate ich ja immer extrem ins Straucheln (Wieviel Zonen sind das nur wieder? Gilt das Zonen-System eigentlich überhaupt noch? Wenn ja, wieviele Streifen für wieviele Zonen? Und wenn nein, wie soll man das sonst machen? Krieg ich Schüler-Rabatt? Und warum kostet das Partner-Tagesticket weniger als das Single-Ticket? Und was zur Hölle ist der Innen-und was der Außenraum? Hää?! Ach, egal, ich fahr einfach als Kind.) In Istanbul hat irgendein genialer Mensch an Leute wie mich gedacht und eine noch genialere Sache erfunden: Die Istanbul-Kart. Man lädt einfach Geld drauf und los geht die wilde Fahrt (hier meistens wörtlich zu nehmen). Egal wohin, egal wie lang, ob Bus, Fähre oder Metro. Einmal über den Display ziehen und warten bis es Piep macht. Von ganzem Herzen: Danke.

2.       Was ich an Deutschland am meisten vermisse:  Schwarzbrot. Und feste Abfahrtszeiten.

3.       Was ich an den Türken mag: Dass sie einem immer Tee anbieten :)
4.       Was mich an den Türken nervt: Typisches „südländisches Temperament“. Ist ja mal ganz nett, aber auf Dauer einfach nichts für mich. Zu anstrengend. Für  leidenschaftliche Auseinandersetzungen darüber, ob jetzt grüne oder rote Paprika die bessere ist, bin ich wahrscheinlich schlicht und einfach zu faul.  Hier knallen aus den seltsamsten Gründen gerne mal die Türen. Da ich aber eh herzlich wenig von den hin-und herpeitschenden Wortgefechten verstehe, nutze ich die Zeit meistens um über meinem Glas Cay ein bisschen zu meditieren. Ohm.

Ach ja, und die ständigen Versuche mich unter die Haube zu bringen find ich auch nicht ganz so klasse.

5.       Was ich umsonst eingepackt habe:  Meinen  Istanbul-Stadtplan. Der zeigt, wie ich festgestellt habe, nur einen winzigen Bruchteil der Stadt. Und zwar genau den, der wegen den Touristenmassen sowieso bestens beschildert ist. Sehr gut investiert, das Geld.

6.       Was ich hätte mitnehmen sollen:  Bücher. Die Fahrten sind lang. Bei dem Versuch hier einen englischen Buchladen zu finden habe ich mich, nicht zum ersten Mal, gnadenlos verlaufen. Als ich dann endlich drinnen war wollte mich der freundlich und nur leicht aufdringliche Verkäufer nicht eher gehen lassen, bis er mir ungelogen jedes Buch in seinem Geschäft einzeln angepriesen hat. Mitsamt Angaben zu Inhalt, Autor und moralisch-gesellschaftspolitischer Bedeutung. Zur Bestätigung seiner Lobreden wurde mir dann begeistert eine Auswahl von Briefen und E-mails gezeigt, die ihm enthusiastische Leser geschrieben haben, rein zufällig waren natürlich auch ein paar auf Deutsch dabei. Ob diese „Deutschen“ überhaupt lesen konnten wage ich nach Worten wie „Diese Buch best!!!“ allerdings zu bezweifeln.

Was ich sonst noch gut hätte gebrauchen können: Schicke Kleidung und schöne Schuhe. Hätte ich bei einem „Freiwilligendienst“ auch nicht gedacht, aber so ist es.

7.       Mein persönlichen Istanbul-Highlights in drei Worten:  Schafskäse, Istanbul-Kart, Bosporus-Brücke.
Soviel dazu. Zusammen mit meiner Gastfamilie habe ich diese Woche übrigens gleich mal den Kontinent gewechselt. Was ich dabei gelernt habe: Es rät sich nicht, auf die mit misstrauischem Blick gestellte Frage einer 14jährigen "Do you like Justin Bieber?" mit einem aus Panik drei Oktaven zu hohem "Yes?!?" zu antworten. Kleine Lügen bestraft Allah sofort.
 

Freitag, 4. Oktober 2013

Jaa, auch hier kommt mal der Alltag

Merhaba! Vor ziemlich genau drei Wochen bin ich hier in Istanbul gelandet und ich muss sagen, die Zeit vergeht wie im Flug! Doch für die kurze Zeit habe ich mich inzwischen echt gut eingelebt. Was vor allem heißt, dass ich täglich mindestens drei Liter schwarzen Tee trinke, einen halben Leib Weißbrot zum Frühstück verputze und auch bei Rot über die Straße hechte. Ich habs echt satt angestarrt zu werden als wär ich grenzdebil nur weil ich - wie bescheuert kann man sein?-  schön artig warte bis die Ampel grün wird.
An welchen Sachen ich noch so merke dass allmählich der Alltag bei mir einkehrt? Ich springe am Morgen nicht mehr mit den Gedanken "Juuhuu ein neuer Tag, ein neues Abenteuer!!" aus dem Bett sonders verfluche meinen Wecker und zieh mir die Decke über den Kopf. Ich  denk auch nich mehr bei jedem türkischen Wort "Hmmm, was das wohl heißt?! Gleich mal im Wörterbuch nachschaun!". Ich verpasse wie gewohnt meine Haltestellen weil ich zu sehr in mein Buch vertieft bin (Jane Austen, Gott hab sie selig, sei Dank). Alles also wieder fast ganz normal bei mir.

Bis auf diese kleinen Begebenheiten die einem in Deutschland nie passieren würden. Wie als ich vor ein paar Tagen von meiner Chefin mitgenommen und in einer wildfremden Gegend gelandet bin. Bevor ich, schon voll in Panik wie zum Teufel ich je wieder nach Hause finden soll, mich richtig umgucken kann, hat man mich schon einer Gruppe mit Tüten bepackter türkischer Großmütter in die Hand gedrückt. Die können zwar kein Wort Englisch aber ihrem Lächeln nach zu urteilen sich nichts schöneres vorstellen als die "Kücük Almanca"(die kleine Deutsche, das bin ich^^) durch den Istanbuler Feierabendverkehr an die richtige Adresse zu lotsen. Und so verbringe ich zwei Stunden in überfüllten Bussen an der Seite (oder teilweise auch an der Hand) freundlicher fremder Frauen, die mich wenn sie aussteigen eben einfach an eine Person ihres Vertrauens (oder auch nicht) weiterreichen. So kommt man auch nach Hause :) 

Diese Woche hat auch endlich mal meine Arbeit angefangen, ein kleines Büro mit großem Keller im europäischen Viertel Fatih. Um dort hin- und von dort aus wieder zurück zu gelangen kostet es mich täglich 4 Stunden Fahrzeit und eine gehörige Portion Nerven. Erst mit dem vollgestopften Bus zum Hafen, dann mit der Fähre rüber nach Europa (meine Begeisterung fürs Fährefahren ist inzwischen etwas gedämpfter. Bei 8 Grad, Regen, Wind und einem Stehplatz im Freien nicht mehr ganz so romantisch.) und schließlich mit der Tram nach Fatih. Das ist mein Lieblingsteil, denn hier begegnet man fast immer ein paar Deutschen, die meistens- Klischee hin oder her- gerade dabei sind sich über irgendwas zu beschweren. Vorzugsweise der Verkehr, obwohl auch das Wetter grad ganz hoch im Kurs steht. Heute dann die erste Unterrichtsstunde. Ich und sechs Drittklässler, deren Englisch sich auf "Hiiiii" beschränkt. Nach etwaigen Versuchen, meine Autorität durch türkisches Geblabbel zu untergraben wurden schließlich wenig schmeichelhafte Bilder von "Läna" an die Tafel gekritzelt, die zwar meinem Selbstbewusstsein einen Knacks verpasst haben die ich aber natürlich trotzdem alle very nice fand. Mit frischer Motivation hatte ich dann die glorreiche Idee, ihnen den "Good Morning- Song" beizubringen. Ich fand den mit acht Jahren schließlich schon ziemlich cool. Nach drei musikalisch mehr oder weniger erfolgreichen Durchläufen dann die Frage, ob ich ihnen nicht lieber Gangnam-Style beibringen kann. Na. Super.