Samstag, 23. November 2013

Special offers und Superman

Selam, arkadşlarım. Die Hälfte meiner Zeit in Istanbul ist bald vorbei, ob mans glaubt oder nicht. Ich glaube es jedenfalls nicht. Unglaublich, dass ich in nicht mal vier Monaten wieder in Deutschland bin. Da wo es Schwarzbrot gibt. Und wo Ampeln mehr als bloße Dekoelemente sind. Wo die Busse pünktlich und regelmäßig fahren. Ach halt, hat ich ja fast schon verdrängt. Wo die Busse meistens überhaupt nicht fahren. Willkommen auf dem Lande.

Da irgendwie jeder heute irgendwie irgendwo beschäftigt war brauchte auch ich irgendwas, um mich von meiner Einsamkeit abzulenken. Habe also spontan beschlossen, dem großen Bazar einen kleinen Besuch abzustatten. Auf dem ich ja, wie ich geglaubt habe, schon gewesen bin. Bin ich aber nicht. Der Bazar auf dem ich war, war der Ägyptische Bazar, oder auch Gewürzbazar genannt. Was da vor allem verkauft wird liegt denke ich auf der Hand. Ich bin damals schlicht und einfach vom großen Bazar ausgegangen weil er, naja, eben so groß war. So schnell irrt man sich. Heute also allein, an einem Samstagnachmittag in meinem leicht verwirrten und stark orientierungslosen Normalzustand auf den richtigen großen Bazar. Ich beglückwünsche mich selbst zu diesem wahnsinnig genialen Einfall und stürze mich ins Getümmel. Ein Labyrinth aus großen und kleinen Gassen, überall blinkt, glitzert, funkelt und duftet es in den verschiedensten Farben. Kann es in verschiedenen Farben duften? Hier schon. Ich bin natürlich erstmal so überwältigt dass ich glatt vergesse mir den Rückweg zu merken. Beziehungsweise dass ich versuchen wollte mir den Rückweg zu merken. Hätte so oder so nicht hingehauen.

 




Ein Touristen-Traum aus 1001 Nacht. Foto wurde unter Lebensgefahr aufgenommen, bin dem Tod durch Zertrammpeln jedoch knapp entronnen.

 
 
Sobald man den Bazar betritt wird man von 5-200 Seiten gleichzeitig lautstark willkommen geheißen und bekommt Sachen jeglicher Art angepriesen bzw. aufgedrängt. Und da man mir eben doch ansieht dass ich Ausländer bin bekomme ich die volle Dosis an Sprachvielfalt. Hier das Ergebnis meiner geistig geführten Strichliste: Die Hälfte begrüßte mich ganz konservativ-international auf Englisch, wobei die Palette hier von einem schlichten "Welcome" bis zu "Extra for you! Extra for you! Special offer! Extra for you!" reicht. Wobei letzteres doch eher beängstigend ist wenn einem dabei ein Tablett voll heißem Tee vor der Nase herumgeschwenkt wird. Überraschend oft habe ich auch ein elegantes "Bonjour, mademoiselle" zu hören bekommen, im Bestfall mit einer kleinen Verbeugung als Sahnehäubchen. Merci aber auch. Ganze fünfmal wurde ich gefragt ob ich aus Russland komme. Nein. Ein besonders schlauer Verkäufer traff dann schließlich mal ins Schwarze: "Suchen Sie etwas?" Ja, den Ausgang. Wahrscheinlich hat besagter Verkäufer meinen sehnsüchtig-heimatverbundenen Blick bemerkt, der sich natürlich beim Betrachten der Auswahl von rot-weißen "Mia san mia"-Shirts sofort eingestellt hat. Oder so ähnlich. Mein professionelles "Merhaba" hat leider niemanden so richtig davon überzeugt, dass ich 1. Kein Tourist und 2. Nicht interessiert bin.  Mehr Erfolg hatte ich da bei meinem ersten Versuch als knallharte Feilscherin, selbstverständlich auf türkisch: "Wie viel?" "50." "50? 20!" (Warum nicht in die vollen gehen?) "Na gut, sagen wir 30." "Okay, 30." (Erwartungsfroh zücke ich meine Geldbörse) "Na gut, ich geb`s dir für 20." Coole Sache.
Ach ja, Notiz an mich selbst: Nicht alles verwirrt ansehen was verwirrend aussieht. Sonst wird einem ehe man gucken kann großes Interesse an einer überlebensgroßen Superman-Figur aus Plastik unterstellt. Special offer für nur 300 Lira. Klasse, ich kann mir nichts schöneres vorstellen als mit Superman unterm Arm durch Istanbul zu spazieren. Nach dreieinhalb Stunden shoppen muss ich mir dann endgültig eingestehen warum ich nicht schon nach zwei Stunden nach Hause gegangen bin: Ich habe nicht die Spur einer Ahnung wo ich hergekommen bin. Und irgendwie sieht auch alles gleich aus. Hätte ich wohl besser Brotkrumen gestreut.
Endlich wieder in der realen Welt angekommen gönne ich mir erstmal einen großen Simit. (Sesamkringel, perfekte Beruhigung für die Nerven). Die Krümmel heb ich auf. Fürs nächste Mal.






 


Dienstag, 12. November 2013

Üs und andere schöne Dinge

Merhaba an alle. Wird wohl Zeit dass ich mich auch mal wieder aus der Versenkung melde. Dass seit meinem letzten Blogeintrag so viel Zeit vergangen ist liegt daran dass ich 1. mal wieder umgezogen bin und zwar 2. in ein sehr spannendes Stadtviertel in dem es für ein Dorfkind wie mich natürlich dauernd irgendeine spannende Ablenkung gibt, genau wie in meiner neuen Familie die 3. zwei deutschlernende und spielbegeisterte Kinder hat. Es liegt natürlich nicht daran, dass ich ein außergewöhnlich fauler Mensch bin und/oder mir mein Passwort für meinen Blog nicht mehr einfallen wollte. Braucht ihr also gar nicht denken.

Wo wir gerade bei Merhaba sind: Mit der türkischen Sprache kann ich mich immer mehr anfreunden. Ich meine allein Sätze wie "Düsünür müsünüz". Das zergeht doch auf der Zunge wie warme Butter. Leider scheint meine Zuneigung aber nicht auf Gegenseitigkeit zu beruhen. So übersetzt mein stets loyaler Google-Translator mein schönes "Macht euch bitte Notizen" stur mit "Bitte beachten Sie das Fleisch". Naja, also schaden kann das ja auch nicht. Perfektioniert habe ich dagegen die Sätze "Tut mir Leid, ich spreche kein Türkisch" und "Wollt ihr ein Lied singen?". Letzterer immer gefolgt von einem enthusiastischen "Yeeeeyy!!" Vom Good-Morning-Song konnte ich meine Schüler inzwischen genauso gut überzeugen wie vom ABC-Rap. Wobei es für einige Kinder ein Alphabet ohne Ü unvorstellbar scheint, weswegen es sicherheitshalber gleich an mehreren Stellen dazwischengequetscht wird. Trotzdem : Mission erfolgreich!

Es ist eigentlich unverzeihlich aber bis vor kurzem hatte ich hier noch keinen Tropfen Raki getrunken. Um diese Bildungslücke so schnell wie möglich zu schließen habe ich also einen feucht-fröhlichen Abend mit Steffi, Emre und Ömer in einer traditionellen Raki-Bar verbracht, selbstverständlich mit viel zu viel leckerem Essen. Naja, die überflüssigen Schafskäse-Kalorien kann ich ja beim lustigen Autolücken-abpassen-und-um-mein-Leben-Rennen wieder abtrainieren. Ach ja, faszinierende Sache: Wenn man auf den durchsichtigen Raki Wasser kippt wird das ganze milchig-weiß! Wissbegierig wie ich bin habe ich dieses Phänomen natürlich gleich mal gegoogelt und weiß jetzt: Das liegt am Louche-Effekt. Den ich euch ja jetzt genauer erklären würde wenn ich ihn durchstiegen hätte. Fragt Wikipedia. Oder lasst es bleiben. Es lässt sich auch ganz gut ohne dieses Wissen leben.

Am 29. Oktober war dann schließlich großer Feiertag: 90 Jahre Republik Türkei! Was mit einem riesigen Bosporus-Feuerwerk gebührend zelebriert wurde. Um aus Steffis Blog zu zitieren: "Leeeutee ich hatte 15 Minuten nuur Gänsehaut, und das hinter dem Fernseher. Wie wäre es wohl wenn ich dort gestanden wäre?" Die Frage kann ich gut beantworten, denn ich war da. Gesehen hab ich- nichts. Ab und an mal ein paar Fünkchen am Himmel. Muss allerdings zugeben, dass das ganze durch die Handykamera meines Vordermannes recht beeindruckend aussah. Und Gänsehaut hatte ich zumindest auch. War nämlich arschkalt.

Hmmm was gibt's sonst noch so. Ah, hab hier auch endlich mal eine Namensverwandte kennengelernt. Eine sehr sympathischer Golden-Retriever-Welpe. Hab mich natürlich immer gleich angesprochen gefühlt wenn es hieß: "Lena!!! Nicht sabbern!!"
Und eine neue Anekdote aus den Istanbuler Buchläden. Als der Verkäufer herausgefunden hat, dass ich Deutsche bin, hat er mich strahlend zum einzigen deutschen Buch im Laden geführt:

 
Supi, da hab ich natürlich gleich zugeschlagen! Mit nur einer neuen
 Fremdsprache bin ich schließlich unterfordert!
 
Als Vegetarierin bin ich hier ja sowieso schon eine mit Misstrauen zu betrachtende Rarität. Um nicht auch noch als horklige Deutsche dazustehn, habe ich beschlossen ausnahmslos alles andere zu essen. Was den täglichen Plastikbecher voller superscharfer Pepperoni einschließt, den ich zu meinem Teller Reis bekomme (das einzige fleischlose warme Gericht im Umkreis meiner Arbeitsstelle). Da die Pepperoni normal zu essen sich als unmöglich herausgestellt hat, ohne sich am Ende mit tränenden Augen und rotem Kopf auf dem Boden zu winden (was mir auf Dauer zu stressig wäre), habe ich eine neue, sehr nützliche Fähigkeit entwickelt: Pepperoni im Ganzen schlucken. Ist nicht so einfach wie es klingt und erfordert eine spezielle, ausgeklüngelte Schlucktechnik. An deren Perfektionierung ich momentan noch feile. Seminare gibt's dann wenn ich wieder in Deutschland bin. Ein bisschen Geduld braucht ihr also noch.



Montag, 21. Oktober 2013

Kurban Bayramınız Mübarek Olsun!

Oder auch schlicht und einfach Fröhliches Opferfest! Kurban Bayramı wird im Islam in Erinnerung an den Propheten Ibrahim (bei uns hört der Gute auf den Namen Abraham) gefeiert, der Allah sogar seinen eigenen Sohn geopfert hätte. Kinder kamen bei uns allerdings nicht auf den Tisch (hoff ich zumindest). Da meine ehemalige, sehr religiöse Gastfamilie schon Wochen vorher von diesen hohen muslimischen Feiertagen erzählt hat und Vorbereitungen für das Fest getroffen hat, war ich sehr gespannt was mich so erwartet.
Die Antwort: Nicht sonderlich viel. Denn einzigen Brauch denn ich bei meiner neuen Gastfamilie, die sich als „flexible muslims“ bezeichnet, mitbekommen habe, ist der Teller mit kleinen Stücken „Opferfleisch“ zum Frühstück. Und sogar ich als eigentlich überzeugter Vegetarier muss zugeben: Sehr, sehr lecker! Aber das trifft ja hier sowieso auf fast alles zu. Ansonsten war 4 Tage entspannen angesagt. Dass heisst bis 12 Uhr schlafen, dann erstmal g’scheit was essen, zuhause oder bei den Nachbarn auf der Couch rumhaengen und literweise Çay und Kaffee trinken und so lange aufbleiben bis auf Skype nur noch der Echo Sound Test Service online ist.

Wo wir grad bei Kaffee sind: Diese Woche kam ich in den Genuss meiner ersten Kaffeesatz-Séance. Dabei wird die Tasse nach dem Trinken einfach auf die Untertasse gestülpt und dann gewartet bis das ganze kalt ist. İn dem Muster, dass sich in der Tasse bildet steht schließlich die Zukunft geschrieben! In meinem Fall der glühende Zorn auf einen Mann mit kurzen schwarzen Haaren. An denen es hier nicht gerade mangelt. Mal sehen mal sehen.
 

Wer hier drin nichts sehen kann...


...der hat eben kein drittes Auge.

Zwischen dem ganzen Rumgegammel muss selbstverständlich auch mal ein bisschen gearbeitet werden: Deutsch-Nachhilfe für meine Gastschwester. Aber auch ich konnte hier noch was dazulernen: Oblowowski, Wallander und (mein Favorit) Bux, sind anscheinend weit verbreitete deutsche Nachnamen. Zumindest wenn man nach dem Arbeitsheft „Vorwärts“ geht. Klar. Müller und Meier sind ja auch langweilig.

Bei den vielen Freunden/Nachbarn/Verwandten, die ich diese Woche so kennengelernt habe, ist mir eins aufgefallen. Die Frage die einem hier als erstes gestellt wird, noch vor dem Namen, ist die nach dem Lieblingsfußball- Verein. Meine ehrliches „I don't care“ wird allerdings ebenso wenig akzeptiert wie mein diplomatisches „I like them all“. Ich bin jetzt also offiziell Dortmund-Fan. Zu meinem Leidwesen scheint immer grad irgendwo ein Dortmund-Spiel zu laufen, was dann mir zuliebe auch gleich eingeschaltet wird. Mein Lieblingsspieler ist übrigens trotzdem Mesut Özil. Es lebe die deutsch-türkische Freundschaft.

Montag, 14. Oktober 2013

Zwischenbilanz


Vor fast genau einem Monat bin ich hier in Istanbul gelandet. Wenn ich daran denke, wie ich mich von allen in Deutschland verabschiedet habe und wie ich mit Steffi mit Schmetterlingen im Bauch im Flugzeug saß, erscheint es mir, als wären erst wenige Tage vergangen. Gleichzeitig aber kommt es mir vor, als wäre ich schon Ewigkeiten hier in Istanbul. So oder so, höchste Zeit für eine Zwischenbilanz:

1.       Was ich an der Türkei am meisten schätze:  Ganz klar, die türkische Wärme und Hilfsbereitschaft. Hier scheint jeder bereit zu sein, seine eigenen Pläne hintenanzustellen wenn man in Schwierigkeiten steckt (Was ich natürlich fast nie tue, räusper). Ach ja, und die Regelung mit dem Verkehr. Schon wenn ich mir in Deutschland eine Fahrkarte von Geltendorf nach München kaufen will gerate ich ja immer extrem ins Straucheln (Wieviel Zonen sind das nur wieder? Gilt das Zonen-System eigentlich überhaupt noch? Wenn ja, wieviele Streifen für wieviele Zonen? Und wenn nein, wie soll man das sonst machen? Krieg ich Schüler-Rabatt? Und warum kostet das Partner-Tagesticket weniger als das Single-Ticket? Und was zur Hölle ist der Innen-und was der Außenraum? Hää?! Ach, egal, ich fahr einfach als Kind.) In Istanbul hat irgendein genialer Mensch an Leute wie mich gedacht und eine noch genialere Sache erfunden: Die Istanbul-Kart. Man lädt einfach Geld drauf und los geht die wilde Fahrt (hier meistens wörtlich zu nehmen). Egal wohin, egal wie lang, ob Bus, Fähre oder Metro. Einmal über den Display ziehen und warten bis es Piep macht. Von ganzem Herzen: Danke.

2.       Was ich an Deutschland am meisten vermisse:  Schwarzbrot. Und feste Abfahrtszeiten.

3.       Was ich an den Türken mag: Dass sie einem immer Tee anbieten :)
4.       Was mich an den Türken nervt: Typisches „südländisches Temperament“. Ist ja mal ganz nett, aber auf Dauer einfach nichts für mich. Zu anstrengend. Für  leidenschaftliche Auseinandersetzungen darüber, ob jetzt grüne oder rote Paprika die bessere ist, bin ich wahrscheinlich schlicht und einfach zu faul.  Hier knallen aus den seltsamsten Gründen gerne mal die Türen. Da ich aber eh herzlich wenig von den hin-und herpeitschenden Wortgefechten verstehe, nutze ich die Zeit meistens um über meinem Glas Cay ein bisschen zu meditieren. Ohm.

Ach ja, und die ständigen Versuche mich unter die Haube zu bringen find ich auch nicht ganz so klasse.

5.       Was ich umsonst eingepackt habe:  Meinen  Istanbul-Stadtplan. Der zeigt, wie ich festgestellt habe, nur einen winzigen Bruchteil der Stadt. Und zwar genau den, der wegen den Touristenmassen sowieso bestens beschildert ist. Sehr gut investiert, das Geld.

6.       Was ich hätte mitnehmen sollen:  Bücher. Die Fahrten sind lang. Bei dem Versuch hier einen englischen Buchladen zu finden habe ich mich, nicht zum ersten Mal, gnadenlos verlaufen. Als ich dann endlich drinnen war wollte mich der freundlich und nur leicht aufdringliche Verkäufer nicht eher gehen lassen, bis er mir ungelogen jedes Buch in seinem Geschäft einzeln angepriesen hat. Mitsamt Angaben zu Inhalt, Autor und moralisch-gesellschaftspolitischer Bedeutung. Zur Bestätigung seiner Lobreden wurde mir dann begeistert eine Auswahl von Briefen und E-mails gezeigt, die ihm enthusiastische Leser geschrieben haben, rein zufällig waren natürlich auch ein paar auf Deutsch dabei. Ob diese „Deutschen“ überhaupt lesen konnten wage ich nach Worten wie „Diese Buch best!!!“ allerdings zu bezweifeln.

Was ich sonst noch gut hätte gebrauchen können: Schicke Kleidung und schöne Schuhe. Hätte ich bei einem „Freiwilligendienst“ auch nicht gedacht, aber so ist es.

7.       Mein persönlichen Istanbul-Highlights in drei Worten:  Schafskäse, Istanbul-Kart, Bosporus-Brücke.
Soviel dazu. Zusammen mit meiner Gastfamilie habe ich diese Woche übrigens gleich mal den Kontinent gewechselt. Was ich dabei gelernt habe: Es rät sich nicht, auf die mit misstrauischem Blick gestellte Frage einer 14jährigen "Do you like Justin Bieber?" mit einem aus Panik drei Oktaven zu hohem "Yes?!?" zu antworten. Kleine Lügen bestraft Allah sofort.
 

Freitag, 4. Oktober 2013

Jaa, auch hier kommt mal der Alltag

Merhaba! Vor ziemlich genau drei Wochen bin ich hier in Istanbul gelandet und ich muss sagen, die Zeit vergeht wie im Flug! Doch für die kurze Zeit habe ich mich inzwischen echt gut eingelebt. Was vor allem heißt, dass ich täglich mindestens drei Liter schwarzen Tee trinke, einen halben Leib Weißbrot zum Frühstück verputze und auch bei Rot über die Straße hechte. Ich habs echt satt angestarrt zu werden als wär ich grenzdebil nur weil ich - wie bescheuert kann man sein?-  schön artig warte bis die Ampel grün wird.
An welchen Sachen ich noch so merke dass allmählich der Alltag bei mir einkehrt? Ich springe am Morgen nicht mehr mit den Gedanken "Juuhuu ein neuer Tag, ein neues Abenteuer!!" aus dem Bett sonders verfluche meinen Wecker und zieh mir die Decke über den Kopf. Ich  denk auch nich mehr bei jedem türkischen Wort "Hmmm, was das wohl heißt?! Gleich mal im Wörterbuch nachschaun!". Ich verpasse wie gewohnt meine Haltestellen weil ich zu sehr in mein Buch vertieft bin (Jane Austen, Gott hab sie selig, sei Dank). Alles also wieder fast ganz normal bei mir.

Bis auf diese kleinen Begebenheiten die einem in Deutschland nie passieren würden. Wie als ich vor ein paar Tagen von meiner Chefin mitgenommen und in einer wildfremden Gegend gelandet bin. Bevor ich, schon voll in Panik wie zum Teufel ich je wieder nach Hause finden soll, mich richtig umgucken kann, hat man mich schon einer Gruppe mit Tüten bepackter türkischer Großmütter in die Hand gedrückt. Die können zwar kein Wort Englisch aber ihrem Lächeln nach zu urteilen sich nichts schöneres vorstellen als die "Kücük Almanca"(die kleine Deutsche, das bin ich^^) durch den Istanbuler Feierabendverkehr an die richtige Adresse zu lotsen. Und so verbringe ich zwei Stunden in überfüllten Bussen an der Seite (oder teilweise auch an der Hand) freundlicher fremder Frauen, die mich wenn sie aussteigen eben einfach an eine Person ihres Vertrauens (oder auch nicht) weiterreichen. So kommt man auch nach Hause :) 

Diese Woche hat auch endlich mal meine Arbeit angefangen, ein kleines Büro mit großem Keller im europäischen Viertel Fatih. Um dort hin- und von dort aus wieder zurück zu gelangen kostet es mich täglich 4 Stunden Fahrzeit und eine gehörige Portion Nerven. Erst mit dem vollgestopften Bus zum Hafen, dann mit der Fähre rüber nach Europa (meine Begeisterung fürs Fährefahren ist inzwischen etwas gedämpfter. Bei 8 Grad, Regen, Wind und einem Stehplatz im Freien nicht mehr ganz so romantisch.) und schließlich mit der Tram nach Fatih. Das ist mein Lieblingsteil, denn hier begegnet man fast immer ein paar Deutschen, die meistens- Klischee hin oder her- gerade dabei sind sich über irgendwas zu beschweren. Vorzugsweise der Verkehr, obwohl auch das Wetter grad ganz hoch im Kurs steht. Heute dann die erste Unterrichtsstunde. Ich und sechs Drittklässler, deren Englisch sich auf "Hiiiii" beschränkt. Nach etwaigen Versuchen, meine Autorität durch türkisches Geblabbel zu untergraben wurden schließlich wenig schmeichelhafte Bilder von "Läna" an die Tafel gekritzelt, die zwar meinem Selbstbewusstsein einen Knacks verpasst haben die ich aber natürlich trotzdem alle very nice fand. Mit frischer Motivation hatte ich dann die glorreiche Idee, ihnen den "Good Morning- Song" beizubringen. Ich fand den mit acht Jahren schließlich schon ziemlich cool. Nach drei musikalisch mehr oder weniger erfolgreichen Durchläufen dann die Frage, ob ich ihnen nicht lieber Gangnam-Style beibringen kann. Na. Super.




Sonntag, 29. September 2013

Ein Lebenszeichen aus dem fernen Istanbul :)

Merhaba an alle! Wird wohl Zeit das ich mal wieder ein Lebenszeichen von mir gebe. Ja, ich lebe noch und ich befinde mich überraschenderweise auch am richtigen Ort. Ausnahmsweise mal. Auch wenn mein Orientierungssinn immer noch nur circa 5% von dem beträgt, was ein Normalsterblicher eigentlich besitzen sollte, hat er sich schon enorm gesteigert! Ja, sowas kann wohl nur Istanbul. Der Gedanke dass ich vor nicht viel mehr als zwei Wochen noch einen Horror vor den Fahrplänen in München hatte kommt mir jetzt irgendwie witzig vor. Fahrpläne sind hier eh allgemein nicht so angesagt. Entweder es kommt ein Bus oder eben nicht. So einfach is das.

Aber da mich an den Verkehr denken noch müder macht als ich heute sowieso schon bin, lass ich das Thema jetzt. Mal überlegen was es sonst noch gibt...ach ja, meine türkische Hochzeit! Da es meine erste Hochzeit überhaupt war hat die mich natürlich schwer beeidruckt ;) Was für einen Stellenwert die Hochzeit hier hat lässt sich schon an der unvorstellbaren Menge an Brautkleider-Geschäften erkennen. Ein kleiner Ausschnitt:
Und so geht das weiter, eins nach dem anderen. So viele Bräute kann es selbst in Istanbul nicht geben!
 
 
Dementsprechend sah dann auch alles, angefangen von der Braut über die Hochzeitstorte bis zu den Einladungskarten wunderschön aus. Das beeidruckendste war für mich allerdings die Location: Bei Abenddämmerung auf einer mit Tüll und Schleifen geschmückten Fähre über den Bosporus :D Das Essen wuchtig, die Musik, naja, türkisch und die Atmosphäre einmalig! Und als ich dann um 11 Uhr nachts am Deck stand und aufs Meer geguckt habe kam meine Gänsehaut glaube ich nicht nur von der Kälte:

 
So, alles was ich sonst noch so schreiben wollte muss wohl etwas warten, weil ich hier nämlich gleich über meiner Tastatur einschlafe. Bin morgen erst mal gespannt auf meinen ersten Arbeitstag.
Iyi geceler, meine Lieben!
 

Freitag, 20. September 2013

Unglaublich...

...das ich schon eine Woche hier bin! Und in dieser einen Woche ist schon so viel passiert, dass ich damit ein ganzes Buch füllen könnte! Dem klassischen Verlauf eines Freiwilligendienstes nach zu urteilen, den ich auf meinem Vorbereitungsseminar bekommen habe, befinde ich mich allerdings noch in der "Honeymoon-Phase". Man findet alles super aufregend und ist von allem und jeden hellauf begeistert. Dass mich das stundenlange Beine-in-den-Bauch-Stehen in völlig überfüllten Bussen auf noch überfüllteren Straßen hellauf begeistert kann ich zwar nicht behaupten, aber der Rest kommt hin. (Über den Verkehr hier wird ich wohl noch nen eigenen Blogeintrag schreiben, der ist einfach beispiellos) 

Schon das erste Wochenende wurde ich dann mit dem ersten Klischee konfrontiert: Der obligatorische Verwandtenbesuch! Dass heißt erstmal gefühlt 5 Tanten und 12 Cousins und Cousinen, Küsschen links, Küsschen rechts, Are you hungry?, wenn nicht, auch egal, gibt trotzdem was. Und zwar, ganz traditionell rund um einen kleinen Tisch herum auf dem Boden sitzend. Da können einem nach zweistündiger "Zwischenmahlzeit" gerne mal die Beine einschlafen! Einer der wichtigsten Gründe für den Besuch ist dann allerdings weniger traditionell: Freies WLAN für alle, juhu! Und so sitzen ich und meine beiden Gastschwestern drei Stunden im Wohnzimmer, hören Adele und gucken Doctor Who (Ja, das kommt hier im Free-TV, schäm dich, Deutschland!). So anders sieht der Verwandtenbesuch bei uns eigentlich auch nicht aus.

Touristenmäßig hab ich in der einen Woche übrigens schon gut vorgelegt: Vom ehemaligem Sultanspalast Topkapı (Der Mann hatte Geschmack!) über die blaue Moschee und die Hagia Sofia bis hin zum Großen Bazar. Wobei letzterer mich bei weitem am meisten beeindruckt hat! Wahnsinnige Reizüberflutung! Und zwar in allen Bereichen: Überall  Farben, seien es nun getrocknete Früchte, Tücher oder bunte Teppiche. Die Luft ist voll vom Geruch verschiedener Gewürze und die Händler schreien mit der Musik um die Wette und sich gegenseitig in den Boden. Gerade als ich denke: Ja, SO hab ich mir das vorgestellt, schallt mir aus einem Lautsprecher eine Stimme entgegen: Justin Bieber. An dem Typen kommt man wohl nie vorbei.
Aber genau dieser Kontrast zwischen traditionell und modern, alt und neu, orientalisch und europäisch ist es, der Istanbul für mich so wahnsinnig faszinierend macht! Neben uralten historischen Moscheen schrauben sich stahl-und glaslastige Wolkenkratzer in den Himmel. Besonders schräg fand ich diesen Kontrast in einem kleinen Laden auf dem Großen Bazar: Recht gibt's Kopftücher und Schleier, links die (farblich passenden!) Spitzen-Dessous. Da hat jemand Sinn fürs Geschäft.

Neben dem Verkehr könnte ich auch über das Essen seitenlang schreiben (die erste Magenverstimmung hab ich schon hinter mir). Aber das kommt noch. Genauso wie das Istanbuler Nachtleben. Ich sag nur eins: Wahnsinn!

Morgen freue ich mich dann erstmal auf eine türkische Hochzeit! Und deswegen muss ich jetzt auch schlafen. Gut Nacht.


Samstag, 14. September 2013

Mein erster Tag...

Meine ersten 24 Stunden in Istanbul! Obwohl der Abschied am Flughafen natürlich sehr sehr traurig war, hat die Vorfreude dann doch gesiegt, und so waren Steffi und ich auf unserem Flug guter Dinge. Als die Wolkendecke dann mal aufbricht sehen wir eine Wahnsinns-Menge Häuser unter uns. Waaahh, das ist Istanbul!!! Komisch, ganz ohne Hochhäuser. Und dann heben wir den Blick und gucken ein bisschen weiter. Und wie aus dem Nichts tauchen plötzlich die ersten Wolkenkratzer am Horizont auf und das ganze wird größer und größer und hört gar nicht mehr auf. Da wird uns klar, dass das gerade wohl nur irgendeine Kleinstadt war...DAS hier ist Istanbul! Und wenn ich sage dass es aus der Luft gigantisch aussieht ist das völlig untertrieben. Diesen Anblick werde ich mein Leben lang nicht vergessen.

Am erfreulich überschaubarem Flughafen Sabiha Gökcen angekommen heißt es dann erst mal eine Ewigkeit auf Emres verspäteten Flug warten...als der dann aber da ist geht alles ganz schnell und ehe wir uns versehen sitzen Steffi und ich in einem Taxi zu unseren Gastfamilien und brettern durch die inzwischen nächtlichen Straßen. Am Meer entlang, eine Wahnsinnsmenge an Lichtern...Welcome to Istanbul.

Meine sehr nette Gastfamilie (1 Mutter, 2 Schwestern und ein bisher noch abwesender Bruder) erwartet von mir vor allem eines: Essen! Und zwar viel. Und zwar stündlich. Und weil ablehnen ja extrem unhöflich ist, wird eben gegessen. Komischerweise kommen die anderen jedoch mit einem vollen Teller Abendessen davon, für mich gibt's mindestens zwei. Ich werde vermutlich nach Hause rollen müssen. Weil das Zeitverhältnis hier sehr viel entspannter ist als bei uns steifen Deutschen kann sich das Frühstück, das,-woraus auch sonst?- aus Pommes, Schafskäse und Pfirsichmarmelade besteht, auch mal drei Stunden lang hinziehen. Hin und wieder schneien ein paar Nachbarn herein um ein bisschen was mitzuessen und fröhlich den neusten Klatsch auszutauschen. Das die Türken gastfreundlich sind ist schonmal kein Klischee.

Mein heutiges Highlight ist trotzdem das Geldwechseln. Auf ausnahmslos allen Geldscheinen das gleiche Gesicht: Atatürk. Wer auch sonst? Der Clou: Je höher der Wert, desto fröhlicher der Atatürk! Geniale Sache.

So, das wars erstmal von mir... Ich hoffe es geht euch allen gut! Mal sehen wann ich wieder zum Schreiben komme, bis dahin: Görüsürüz!



Donnerstag, 12. September 2013

Okay...

Sooo, dann leg ich mal los :) Alle die mich kennen, wissen ja, das ich ein technischer Totalausfall bin und deswegen entschuldige ich mich schonmal jetzt für alle unübersichtlichen Blogeinträge, Design-Katastrophen, falsch verlinkte Links etc. etc. etc. Ich weiß genau genommen nichtmal ob ich das, was ich jetzt gerade schreibe, auf der richtigen Seite tue. Naja.

Aber eigentlich wollte ich sowieso ganz anders anfangen: Ich heiße Lena, bin 18 Jahr alt und habe gerade 12 Jahre Schule hinter mich gebracht. Danach wollte ich unbedingt eine Zeit lang im Ausland leben. England, Island, Schweden...Ideen hatte ich so einige. Irgendein kleines, gemütliches Städtchen, wo selbst ein orientierungsloses Wesen wie ich ein relativ normales Leben führen kann. Tja, gelandet bin ich dann in Istanbul. Über 14 Millionen Einwohner auf knapp 6000 Quadratkilometer (das sagt zumindest Wikipedia). Was ich da denn überhaupt will? Ganz ehrlich, keine Ahnung.

Ab nächste Woche werde ich einen sechsmonatigen Freiwilligendienst in einem Projekt der AIP Foundation machen, die sich um sozial schwächer gestellte Familien kümmert. Dorthin gebracht wurde ich von der Austauschorganisation Experiment e.V. und dem Weltwärts-Programm, das mich freundlicherweise finanziell unterstützt.
Aber genug mit den Fakten. Der Koffer ist gepackt (wenn auch noch geschätzte 10 Kilo zu schwer), die Gastfamilie gefunden und alles wichtige, langweilige Zeug (Bank, Versicherung uns so weiter) abgeklärt. Es kann also losgehen! Vorher werde ich noch ein bisschen Panik schieben, tatkräftig unterstützt von meinen beiden Istanbul-Verbündeten Emre und Steffi. Was Steffi so alles denkt und erlebt, könnt ihr übrigens in ihrem sehr empfehlenswerten Blog nachlesen:

http://steffiinistanbul.tumblr.com/


Morgen mache ich mich auf nach Istanbul. Und dort wird sich dann hoffentlich zeigen, was ich dort überhaupt will. Ich sags euch dann.